Wohnungsbau trotz(t) Krise

Beispielhafte Projekte im KommWFP & aus Konzeptvergaben

18. Oktober 2024, PV-Exkursion nach Wörthsee & Utting am Ammersee
 

Der Mangel an bezahlbaren Wohnungen ist ein dringendes Thema in unserem Verbandsgebiet. Doch der Wohnungsbau steckt in der Krise: Hohe Zinsen, gestiegene Bau- und Energiekosten und fehlende Grundstücke haben zu einem starken Einbruch bei der Zahl der fertiggestellten Wohnungen geführt. Gemeinden können trotzdem Wohnraum schaffen: durch den Bau von Wohnungen im kommunalen Wohnraumförderungsprogramm KommWFP und die Konzeptvergabe. Bei der Konzeptvergabe werden kommunale Grundstücke an einen privaten Bieter mit dem besten Konzept veräußert.

Der Planungsverband Äußerer Wirtschaftsraum München (PV) hat dazu für seine Mitglieder im Oktober 2024 eine Busexkursion zu kommunalen Wohnungsbauprojekten durchgeführt. Die teilnehmenden Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sowie Fachleute aus den Bauämtern erhielten auf der Exkursion Details zu ausgewählten Projekten aus dem kommunalen Wohnraumförderungsprogramm KommWFP und zu Konzeptvergaben. Bei vielen dieser Projekte war der PV an den vorausgehenden Planungen mit beteiligt. PV-Planerin Judith Praxenthaler führte als Moderatorin durch die Veranstaltung.

Rückblick und Impressionen der Exkursion

Mit dem Bus ging es von der S-Bahn-Station Steinebach (Wörthsee) im Landkreis Starnberg zum Schmucker-Areal nach Utting am Ammersee. Nach einer Führung über das Schmucker-Gelände ging es wieder zurück nach Wörthsee – mit einem Zwischenstopp am EDEKA zu Wohnungen auf dem Supermarkt weiter zum Kirchenwirt-Areal. Im Gemeindesaal des Kirchenwirts stellten Verantwortliche aus Politik, Wirtschaft und Verwaltung weitere Projekte vor. Die Veranstaltung endete mit einer Führung durch das Kirchenwirt-Areal.

Während der Fahrt im Bus begrüßte Marc Wißmann, PV-Geschäftsführer, die Gäste und führte kurz in die Thematik ein. Er betonte, wie wichtig diese kommunalen Projekte für die Wirtschaftsregion München seien. Trotz nicht immer einfacher Rahmenbedigungen gelten sie doch als Beweis, dass eine wegweisende Umsetzung und positive Gemeindeentwicklung trotzdem realisiert werden kann.

Staatliche Wohnraumförderung

Der Freistaat Bayern unterstützt die Kommunen dabei, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Über das KommWFP und diestaatliche Wohnraumförderung informierte Ruth-Maria Schittich, stellvertretende Sachgebietsleiterin des Sachgebiets Wohnungswesen bei der Regierung von Oberbayern. Schittich erläuterte die Förderbedingungen für öffentliche Bauherren. Neben einem Zuschuss von 30 Prozent zu den Baukosten und zum Grundstückswert gibt es zinsverbilligte Darlehen über die BayernLabo. Die Kommune bleibt Eigentümerin von Grundstück und Gebäuden; sie beantragt und empfängt die Fördermittel. Zudem bleiben die Tilgungszahlungen für das Darlehen im Haushalt. Tochtergesellschaften der Gemeinden hingegen können den Wohnungsbau umsetzen, aber keine Fördermittel entgegen nehmen.

Das Programm ist aktuell sehr nachgefragt. Kommunen können mit konkreten Projekten an die Regierung von Oberbayern herantreten.

Download Flyer Wohnraumförderung Kommunen
Download Flyer Wohnraumförderung Mietwohnungen
Download Flyer Wohnraumförderung Pflege

Schmucker-Areal in Utting am Ammersee

Florian Hoffmann, Erster Bürgermeister Utting am Ammersee & Florian Zarbo, Vorstand Kommunalunternehmen Utting am Ammersee AöR

Auf dem Schmucker-Areal an der Schondorfer Straße empfingen Florian Hoffmann, Erster Bürgermeister Gemeinde Utting am Ammersee, und Florian Zarbo, Vorstand des Kommunalunternehmens Utting am Ammersee AöR, unsere Busexkursion. Zu Brezn und Kaffee gab es im Gemeinschaftsraum des Geländes erst einmal eine Einführung in das Projekt – wie es dazu kam bis hin zur Wohnungsvergabe und deren Kriterien. Anschließend ging es durch die großzügige Tiefgarage über das Schmucker-Areal, eine ehemalige Hofstelle.

Die Gemeinde hatte beim Schmucker-Areal von ihremVorkaufsrecht Gebrauch gemacht. Auf dem 1,3 Hektar großen Areal sind mit dem kommunalen Wohnbauförderungsprogramm 88 geförderte Wohnungen sowie 127 Stellplätzen, davon 92 in einer Tiefgarage entstanden. Dafür hat die Gemeinde einen Realisierungswettbewerb durchgeführt. Der Siegerentwurf von wwa wöhr heugenhauser architekten mit LUZ Landschaftsarchitekten überzeugte durch eine hohe Qualität bei der Bebauung sowie bei der Gestaltung der Freiflächen. Der PV betreute sowohl den Realisierungswettbewerb also auch die Umsetzung bis hin zum verbindlichen Bebauungsplan. 30 Prozent aller Kosten wurden gefördert – dazu gehören die Planungs-, Bau und Grundstückskosten. Der Rest wurde über ein zinsverbilligtes Darlehen der BayernLabo finanziert.

Perlenschnur in Holzbauweise

Bei der Führung ließ sich gut die Grundidee des Gewinnerentwurfs erkennen – eine in einen Anger eingebettete „Perlenschnur“ aus mehrgeschossigen Holzbauten, deren einzelne Glieder aus versetzten Gebäudeelementen mit jeweils eigenem Pultdach bestehen. Dazwischen sehr viel Grün. Die Gebäude sind in Holzhybridbauweise erstellt, denn Holzbau bietet eine hohe Vorfertigungstiefe. Tiefgarage, Untergeschosse und Entschließungskerne bestehen aus Stahlbeton. Nach nur 2 Jahren Bauzeit konnten die ersten Wohnungen im Dezember 2022 und alle weiteren Anfang 2023 an die neuen Mieterinnen und Mieter vergeben werden. Aktuell leben 203 Personen aus allen Generationen auf dem Gelände, in einer gesunden sozialen Durchmischung.

Download Präsentation Schmucker-Areal

Wörthsee: Kirchenwirt & EDEKA Wild

Christel Muggenthal, Erste Bürgermeisterin Wörthsee & Dr. Max von Bredow, MvB Baukultur

Mit dem Bus ging es wieder zurück Richtung Wörthsee. Christel Muggenthal, Erste Bürgermeisterin der Gemeinde Wörthsee, berichtete während der Fahrt über die beiden Wörthseer Projekte – das Ensemble um den Kirchenwirt und Wohnungen auf dem Supermarkt. Zu letzteren konnten sich die Teilnehmer und Teilnehmerinnen bei einem Zwischenstopp auf dem Parkplatz des Supermarkts einen Eindruck verschaffen. Dann ging es weiter zum Kirchenwirt.

Kirchenwirt-Areal

Die Gemeinde baute das Kirchenwirt-Areal mithilfe des kommunalen Wohnraumförderungsprogramms. Der Gemeinderat wollte das bestehende Gasthaus „Kirchenwirt“ inklusive Gastronomie und Biergarten erhalten und bezahlbaren Wohnraum auf dem restlichen Grundstück schaffen. Dafür stellte die Gemeinde den Bebauungsplan neu auf und führte eine Bürgerbeteiligung zum Erhalt des Kirchenwirts und einer lebendigen Ortsmitte durch. Der PV betreute den gesamten Prozess. Der Neubau sollte sich architektonisch an dem Kirchenwirt und dem dörflichen Charakter orientieren. Dazu gab es Ende 2018 ein VGV-Verfahren. Von 7 beteiligten Architekturbüros wählte die Jury einen Entwurf von Hirner & Riehl Architekten als Sieger. Das städtebauliche Großprojekt der Gemeinde wurde 2023 fertiggestellt. In dem Gebäude befinden sich nun 7 geförderte Wohungen. Dazu gekommen sind 2 neue Gebäude mit 11 geförderten barrierefreien Mietwohnungen, ein Veranstaltungsraum inklusive Foyer und ein Laden. Weitere Details gab zum Kirchenwirt gab es während der Führung über das Areal.

Download Präsentation Kirchenwirt
 

Wohnungen auf dem Supermarkt

Die Gemeinde Wörthsee wünschte sich in seiner Ortsmitte Wohnen und Einkaufen kombiniert, so Muggenthal zum nächsten Projekt. Ein Hanggrundstück war vorhanden. So entstand in Zusammenarbeit mit dem Projektentwickler Max von Bredow Baukultur GmbH (MvB Baukultur) ein Gebäude für beide Nutzungen – Wohnen und Gewerbe. Das Gebäude in Holzhybridbauweise (innen Stahlbeton, außen Holz) hat eine Grundfläche von 1.000 Quadratmetern, davon sind 850 Quadratmeter Verkaufsfläche, führte Dr. Max von Bredow aus. Über dem neuen Superparkt liegen 21 Ein- und Zweizimmerwohnungen. Unter dem Supermarkt befinden sich eine Tiefgarage nebst Fahrradwerkstatt und Kellerabteile für die Mieterinnen und Mieter. Der Entwurf stammt von HK Architekten. So ist bezahlbarer Wohnraum entstanden, es gibt eine Mietobergrenze für die Hälfte der Wohnungen sowie ein Teilungsverbot. Der Supermarkt gehört MvB Baukultur, der an EDEKA untervermietet. Es handelt sich laut von Bredow um ein Sondergebiet Supermarkt mit Wohnungen im Obergeschoss.

Vorträge

Kommunaler Wohnungsbau auf den Lechfeldwiesen (KommWFP)

Thomas Salzberger, Erster Bürgermeister Markt Kaufering & Andreas Giampà, Bauamtsleiter

Der Markt Markt Kaufering möchte für seine Bürgerinnen und Bürger bezahlbaren Wohnraum schaffen. Insgesamt werden auf dem neuen Quartier „Lechfeldwiesen V“ mit rund 18.000 Quadratmetern Fläche 10 Einzelhäuser im Geschosswohnungsbau mit 170 Wohnungen entstehen. „Davon baut der Markt Kaufering 7 Häuser mit 120 über das KommWFP geförderte Wohnungen selbst“, erläuterte Thomas Salzberger, Erster Bürgermeister Markt Kaufering. Die Wohnungen solle barrierefrei gebaut werden, 3 davon rollstuhlgerecht. Der Markt ist Eigentümer des gesamten Baugebiets; zur Finanzierung des Projekts ist neben der Förderung der Verkauf von Flächen für 3 Häuser an einen Bauträger geplant. Die Gesamtkosten inklusive Grundstück für den Markt belaufen sich auf rund 57,3 Millionen Euro, 35,5 Millionen davon sind gefördert – 16,5 Millionen Euro als Zuschüsse und 19 Millionen Euro als zinsgünstiges Darlehen der BayernLabo sowie 200.000 Euro Holzbauzuschuss.

Förderung für 7 barrierefreie Häuser

Manentschloss sich für das gesamte Quartier einen Architektenwettbewerb in Form eines nichtoffenen Realisierungswettbewerbs mit städtebaulichem Ideenteil durchzuführen, informierte Andreas Giampà, Technischer Bauamtsleiter Markt Kaufering. Der PV führte den Wettbewerb inklusive VgV-Verfahren durch und erstellte später auch den Bebauungsplan für das Gebiet. Der Siegerentwurf stammt von den Architekten 17A zusammen mit BL9 Landschaftsarchitekten. Zehn versetzt angeordnete Punkthäuser sollen das Wohnen im großzügigen, parkähnlichen Freiraum ermöglichen. 7 Baukörper mit 4 Geschossen bilden im Westen den Realisierungsteil des geförderten Wohnungsbaus mit 120 Wohnungen, 3 weitere Baukörper im Osten den Ideenteil für etwa 50 freifinanzierte Wohnungen. Dieser soll später bebaut werden. Projektstart war im November 2020, Baubeginn im September 2023 und ab 2026 soll vermietet werden.

Download Präsentation Lechfeldwiesen
 

Neue Ortsmitte Ostermünchen (Konzeptvergabe)

Georg Weigl, Erster Bürgermeister & Dr. Max von Bredow, MvB Baukultur

Um eine lebendige Ortsmitte geht es auch bei der Konzeptvergabe in Ostermünchen, einem Ortsteil der Gemeinde Tuntenhausen im Landkreis Rosenheim. Die Vorgehensweise bei der Vergabe und die Planungen stellten der Tuntenhausener Bürgermeister Georg Weigl und der Projektentwickler Dr. Max von Bredow von MvB Baukultur vor. Der Gemeinde gehört ein etwa 10.000 Quadratmeter großes Grundstück im Herzen von Ostermünchen. Dafür wünscht sich die Gemeinde neben Nahversorgung und öffentlichem Leben auch Platz für Wohnen im Alter und günstigen Wohnraum für Einheimische. Per Konzeptvergabe suchte die Gemeinde einen Investor, für das Grundstück wurde ein Festpreis festgelegt. Der PV hat den Vergabeprozess betreut und bereits im Vorfeld mit der Gemeinde einen städtebaulichen Rahmenplan erstellt. Mit MvB Baukultur aus dem Landkreis Rosenheim hatte sich nur ein Investor beworben, die eingereichte Planung und das extra angefertigte Holzmodell entsprachen dafür exakt den Vorstellungen der Gemeinde.

Mehrgenerationenwohnen & Tuntenhausener Modell

Herzstück ist der neue Dorfplatz, der das bestehende Dorfzentrum mit 6 neuen Wohngebäuden in Holzbauweise verbindet. So entsteht direkt gegenüber eines alten Bauernhofs ein Bereich mit 17 Seniorenwohnungen sowie Tagespflege, Apotheke, Arzt, Dorfladen, Café und Mobilitätsstation. Daneben entsteht ein weiterer Bereich mit Mehrgenerationenwohnen und 63 barrierefreien Wohneinheiten, davon 22 im sogenannten Tuntenhausener (Einheimischen) Modell. Die Wohnungen dafür werden vergünstigt an die Einheimischen verkauft, exklusive Grundstückspreis. Auch Wohnungsmix und Grundrisse sind durchdacht. So sind alle 4 Mehrgenerationenhäuser modular aufgebaut und die Grundrisse können innerhalb der Tragstruktur im Holzbau variiert werden. Die Dorfmitte wird durch das neue Quartier perfekt ergänzt. Zudem stehen eine Tiefgarage sowie Carsharing für alle zur Verfügung.

Download Präsentation Ortsmitte Ostermünchen
 

Das Inninger – Nahversorgungszentrum mit Wohnen (Konzeptvergabe)

Walter Bleimaier, Erster Bürgermeister Inning am Ammersee & Christina Mayr, Mayrbau GmbH

Walter Bleimaier, Erster Bürgermeister der Gemeinde Inning am Ammersee, stellte die Vorgehensweise seiner Gemeinde bei der Konzeptvergabe für „Das Inninger“ vor. Es geht um ein Nahversorgungszentrum mit Wohnen, das am südlichen Ortseingang entstehen soll. Neben einem „gescheiten“ Supermarkt mit 1.200 Quadratmetern Verkaufsfläche soll es einen Drogeriemarkt sowie eine Bäckerei nebst Café umfassen. Der Gemeinderat wollte die Gestaltung mit beeinflussen und gleichzeitig Geld aus dem Grundstücksverkauf erhalten, so fand das städtebauliche Konzept mit 65 Prozent Eingang in das Konzept, der Kaufpreis mit 35 Prozent. Insgesamt gingen 21 Bewerbungen ein mit sehr unterschiedlichen Kaufpreisangeboten. Durchgesetzt hat sich in der dritten Auswahlrunde die Firma Mayrbau GmbH aus Neuburg an der Donau. Sie überzeugt mit einem schlüssigen Konzeptentwurf, der alle Anforderungen an Gestaltung, Nachhaltigkeit und Funktionalität vereint; der Kaufpreis spielte letztlich eine untergeordnete Rolle.

Der als L-Schenkel konzipierte Gebäudekörper fügt sich inklusive Fassadenbegrünung in die Umgebung ein, führte Christina Mayr von derMayrbau GmbH aus. Neben dem Vollsortimenter, der Drogerie und der Bäckerei im Erdgeschoss, entstehen im Obergeschoss 24 Wohnungen mit Dachterrassen. Im Untergeschoss sind eine Mittelgarage mit 30 Stellplätzen, Mietkellerräume und die Technik untergebracht. Das Gebäude wird in ökologischer Holzhybridbauweise erstellt; das Obergeschoss besteht komplett aus Holz, wo nötig wird Stahlbeton eingesetzt, so bei den Stützen, Zwischendecken und der Tiefgarage. Weitere nachhaltige Aspekte: Geheizt wird über Wärmepumpen, die Abwärme der (Tief-)Kühlung des Vollsortimenters wird für dessen Beheizung genutzt und Regenwasser für die WC-Spülung. Der Bau startet in 2025.

Download Handout Inninger
 

Führung Kirchenwirt-Areal

Christel Muggenthal, Erste Bürgermeisterin Gemeinde Wörthsee

Zum Abschluss der Veranstaltung fand ein Rundgang durch das Kirchenwirt-Areal unter Führung der Ersten Bürgermeisterin Christel Muggenthal statt. Hier gab es Zeit für Fragen und zum Netzwerken.

Muggenthal wies auf Grundsatzentscheidungen und Stolpersteine des Projekts hin: So entschied sich die Gemeinde beim Neubau für Massivholzbau sowie Passivhausstandard. Die Energieversorgung ist neben Photovoltaikanlage auf dem Dach durch ein Blockheizkraftwerk im Keller gesichert. 2021 begann die Gemeinde mit den Aushubarbeiten. Der Weg zur Fertigstellung wurde durch Personalmangel in der Verwaltung (keine Bauamtsleitung, kein Bautechniker) behindert. Extern führte Corona zu Kostensteigerungen und Lieferengpässen.

Download Präsentation Kirchenwirt
 

Bildergalerie Busexkursion: Wohnungsbau trotz(t) Krise