Unter dem Dachgewölbe des Landratsamtes München diskutierten am Freitagvormittag, 24. März 2017, etwa 100 Teilnehmer auf einer PV Veranstaltung über aktuelle Entwicklungen, Chancen und Herausforderungen im Radverkehr in der Region München.
Im Vordergrund stand der Infrastrukturausbau, besonders der Radschnellwege. Zudem erläuterten Experten und kommunale Vertreter Planungen und Projekte für den Alltagsradverkehr und die Paketzustellung in der Stadt. Auch Aspekte der E-Mobilität und Digitalisierung wurden beleuchtet. Der Moderator und Journalist Stefan Parrisius führte durch die Veranstaltung.
Begrüßung
Lange galt der Radverkehr als bloßes Freizeitvergnügen, aber auf einmal habe das Thema in der Region erheblich an Schwung gewonnen. So eröffnet Landrat Christoph Göbel, Landkreis München, als Gastgeber und Verbandsvorsitzender die PV Veranstaltung „Radverkehr in der Region München – Infrastruktur, innovative Konzepte, i-bikes“ im Festsaal des Landratsamtes. Heute pendeln wir mit dem Rad zur Arbeit, das Rad ist laut Göbel „eine echte Alternative zu Auto und S- oder U-Bahn“. E-Bikes treiben das Thema weiter voran, dem die Region München auch mit den Radschnellwegen Rechnung trägt.
Im Gespräch: Radschnellwege
Die Planungen für die erste Radschnellverbindung in der Region München laufen auf Hochtouren, sowohl im Landkreis München als auch in der Landeshauptstadt. Birgit Kastrup, Stadtplanerin, PV, präsentiert die Ergebnisse der Machbarkeitsuntersuchung (auf Foto rechts, mit Moderator Stefan Parrisius) für eine Radschnellverbindung von der Landkreisgrenze München nach Unterschleißheim sowie nach Garching. Zusammen mit dem Verkehrsplanungsbüro Kaulen hat der PV zwei Trassenvarianten vertieft untersucht, die Vorzugsvariante verläuft entlang der B13 nach Unterschleißheim, über Garching Hochbrück und entlang des Garchinger Sees bis zum Forschungszentrum der TU München, Kosten: rund 34 Mio. Euro. 8.000 potenzielle Nutzer pro Tag sollen die Strecke frequentieren. Aktuell laufen noch die Bürgerveranstaltungen, deren Erkenntnisse fließen in die finale Bewertung ein. Mit einer weiteren Vorstellung auf der Lenkungskreissitzung sowie beim Landkreis München endet die Untersuchung und es geht dann in die weitere Planung.
Der Radschnellweg macht nur Sinn, wenn er über die Landkreisgrenze bis hin in die Innenstadt verläuft. Dies erfordert eine enge Zusammenarbeit bei der Planung. Auch der Landeshauptstadt München ist sehr an den Radschnellwegen gelegen: Das bestehende Infrastrukturnetz (Straßen, U- und S-Bahn) ist nur begrenzt ausbaufähig, Flächen müssten intelligenter genutzt werden. Zudem steigt der Anteil des Radverkehrs am Verkehr stetig, „jeder fünfte Weg in der Stadt wird mit dem Fahrrad gemacht“, erläutert Georg Dunkel, Abteilungsleiter Verkehrsplanung, Planungsreferat, Landeshauptstadt München. Mit der Planung der Radschnellverbindung in der LH München wurden ebenfalls der PV und das Verkehrsplanungsbüro Kaulen beauftragt. Natürlich sehe der Auftrag anders aus, und bei einer Breite von 4 Metern ist klar, dass dem Autoverkehr etwas weggenommen werden müsse. Ziel ist es, „die Durchschnittsgeschwindigkeit der Radler um einige Stundenkilometer zu erhöhen und Wartezeiten an Querungen zu reduzieren. Zum Zeitplan äußerte sich Dunkel folgendermaßen: Im Herbst 2017 sollen die Pläne der Gutachter dem Bezirksausschuss vorgestellt werden, ebenfalls in 2017 soll es eine Bürgerbeteiligung und erste Ergebnisse geben. Die Trassenführung soll bis 2018 stehen.
Unter dem Motto „Oberhaching steigt auf“ hat sich die Gemeinde das Thema Radverkehr auf die Fahnen geschrieben. Oberhaching setzt verstärkt auf Eigeninitiative. Stefan Schelle, 1. Bürgermeister der Gemeinde Oberhaching, schildert, wie seine Gemeinde mit verschiedenen, zielgerichteten Maßnahmen, viele Bürger für das Radeln gewinnen konnte. Zudem investiert die Gemeinde – wo immer möglich – in den Radwegebau. Schelle fordert, das Thema Ausgleichsflächen in diesem Zusammenhang zu überdenken: Für den Bau eines Radwegs benötige er gleich zwei Grundstücke – eins für den Radweg und das andere für den Ausgleich. Allerdings sei ein Radweg auf jeden Fall „besser für die gesamte Bilanz“.
Zudem haben sich die Gemeinden Oberhaching, Taufkirchen, Unterhaching und Sauerlach zusammengeschlossen, um einen schnellen Radweg von Sauerlach nach München zu errichten. Der geplante Weg wird voraussichtlich einige Kriterien eines Radschnellweges erfüllen, wenn auch nicht alle. Diese Verbindung ist zwar unspektakulär in der Umsetzung, hat aber auch „bei weitem weniger Kosten“.
Vorträge: E-Bikes
Um Verkehr und Umwelt zu entlasten sowie die Lebensqualität in den Innenstädten zu steigern, setzt UPS auf innovative Logistik-Konzepte. Diese basieren zum einen auf der Muskelkraft, d.h. Transport per Lastenräder oder zu Fuß mit Transporthilfen, zum anderen auf der E-Mobilität. In seinem Vortrag „Zurück in die Zukunft“ stellt Peter Blösl, Niederlassungsleiter Allershausen, United Parcel Service Deutschland S.à r.l. & Co. OHG, folgende Lösungsansätze vor: So erfolgt im Münchner Olympiadorf mit 6.000 Einwohnern die komplette Zustellung über einen Partner, nämlich den „Dorfladen“. Einmal pro Tag fährt UPS das Dorf an und übergibt die Pakete, Dauer: 10 Minuten. Bei City2Share in Hamburg (Innenstadt) und München (Isarvorstadt und Sendling) stellt UPS per LKW morgens an zentralen Standorten Container (mobile Umschlagbasis) für die Zwischenlagerung von Paketen auf. Von dort aus verteilen Zusteller die Pakete mit Cargo-Cruisern (elektrisch unterstütztes dreirädriges E-Bike), Lastenrädern (E-Bikes oder normale Fahrräder) oder zu Fuß. Abends werden die Container wieder abgeholt. So lassen sich in Innenstädten und Wohngebieten Verkehr und Emissionen verringern.
Einen umfassenden Überblick über den Fahrradmarkt allgemein, Anteil und Entwicklung der E-Bikes sowie die digitale Vernetzung, Apps (Navigation, GPS, Fitness-Daten, Diebstahlsicherung etc.) und aktuelle Modelle von E-Bikes und S-Pedelecs für den Alltagsradverkehr lieferte Gunnar Voß, Senior Projektleiter, COMMUNICO GmbH, Veranstalter der E BIKE DAYS München in seinem Vortrag „Das vernetzte E-Bike – Flaschenhals Infrastruktur?“.
Sein Fazit: Das perfekte E-Bike ist bereits am Markt und für alle Pendler zugänglich. Ein Umstieg kostet weniger als noch vor einigen Jahren; mit einem S-Pedelec seien die Nutzer langfristig gesehen sogar günstiger unterwegs als mit einem MVV-Ticket. Die Reichweiten haben stark zugenommen; durch portable Akkus bzw. Ersatzakkus, die man auch mit ins Büro nehmen kann, spielen Ladepunkte keine wesentliche Rolle mehr. Die Anzahl der E-Bikes im Markt wird weiter steigen, und das solle man bei der Planung unbedingt mit berücksichtigen.
Podiumsdiskussion: Radverkehrskonzepte in der Region München
In der Region München gibt es bereits eine Menge Aktivitäten und Kooperationen rund um Radverkehrskonzepte für den Alltagsradverkehr, und zwar auf regionaler, Landkreis und kommunaler Ebene. Beispiele dazu präsentieren unter der Moderation von Stefan Parrisius, Journalist, die Podiums-Teilnehmer Marc Wißmann, Leiter Ortsplanung, PV, Susanne Münster, Verkehrsmanagerin, Landratsamt Starnberg, Sonja Rube, Projektleiterin MVG Rad, Münchner Verkehrsgesellschaft mbH, und Martin Schäfer, 1. Bürgermeister der Gemeinde Gröbenzell; Gröbenzell ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundliche Kommunen in Bayern e.V. (AGFK). (Foto v.l.n.r. Wißmann, Münster, Parrisius, Rube, Schäfer)Einig waren sich die Diskutanten, dass das Rad lediglich eine Verkehrsart von vielen ist und jede ihren Sinn und Zweck habe. Vorteilhaft für die Umwelt wäre es, den hausgemachten Verkehr (kurze Wege) „auf das Fahrrad umzusatteln“, wie Susanne Münster es formulierte.
Der PV leitet das Projekt „Regionales Radverkehrskonzept“ mit der LH München und den acht Landkreisen. Ziel ist es, ein Alltagsradroutennetz für die Region München zu definieren, d.h. den Bestand zu sichten und Netzlücken zu ermitteln. Laut Marc Wißmann soll es den Aufgabenträgern bei ihrer Infrastrukturplanung als Orientierung dienen. Susanne Münster informierte über das Alltagsradverkehrskonzept des Landkreises Starnberg. Der Landkreis Starnberg bezieht den Rad- und Fußverkehr bereits bei der Bauleitplanung mit ein und investiert in ein flächendeckendes Konzept für die Infrastruktur, das sie den Landkreis-Kommunen zur Verfügung stellt. Denn „die Infrastruktur muss stimmen – egal für wen!“
Die Gemeinde Gröbenzell setzt wie Oberhaching auf Eigeninitiative, wenn es darum geht den Radverkehr und dessen Akzeptanz zu forcieren. Bürgermeister Schäfer unterstreicht die Vorbildfunktion, die eine Gemeindeverwaltung für seine Bürger hat. Ein wichtiger Punkt für die Gemeinde ist hierbei auch die Mitgliedschaft bei der AGFK, die sich eine Gemeinde hart erarbeiten müsse. Dafür werden personelle und finanzielle Ressorucen benötigt, um innerhalb von vier Jahren einen vordefinierten Kriterienkatalog abzuarbeiten, z.B. Infrastruktur schaffen, Gewerbe und Neubaugebiete mit einbeziehen etc. Dieser Kriterienkatalog dient als roter Faden zur Orientierung und ist laut Schäfer sehr hilfreich. Auch Susanne Münster schwärmte von der Mitgliederschaft im AGFK; sie gebe den nötigen Ansporn, das Thema kontinuierlich fortzuführen. Denn sieben Jahre nach Erhalt der Plakette müsse sich jedes Mitglied einer erneuten Prüfung stellen und schauen, ob es seinen Radverkehr weiterentwickelt hat.
Ein weiterer Baustein zur Verbesserung der Infrastruktur ist die geplante Erweiterung des Leihradsystems „MVG-Rad“ auf das Umland. Aktuell wird mit dem Landkreis München gestartet. Laut Sonja Rube liegen auch viele Anfragen aus Kommunen weiterer Landkreise vor. Die MVG und der Landkreis München haben sich bereits auf eine rechtliche Lösung für das Fahrradverleihsystem geeinigt. Damit ist der Weg in die Landkreis-Gemeinden frei. Der Zeitplan: In 2017 werden etwa zwei bis drei Modellgemeinden des Landkreises München mit Fahrradverleihsystemen ausgestatt. Der Großteil folgt in 2018. 2019 soll dann das Umland abgedeckt werden. Auf lange Sicht soll es laut Rube über das S-Bahn-Netz der Region München hinausgehen.
Vortrag: Zukunft Radverkehr - Innovation und Kommunikation
Die Niederlande gelten als Vorreiter in punkto Radschnellwege. In einem kurzweiligen Vortrag schilderte Sjors van Duren, Program Director Velo-city 2017, Arnheim-Nimwegen, Niederlande, seine Erfahrungen bei der Planung und Realisierung von „Schnellradwegen“, wie in den Niederlanden die Radschnellwege genannt werden. Er plädiert vor allem für Durchhaltevermögen, da es manchmal lange dauern kann, und für eine enge Zusammenarbeit mit den verschiedenen Playern.
Doch laut van Duren geht es nicht nur um die Infrastruktur, sondern auch um die Kommunikation. So können etwa ein Name, ein Symbol oder die Beleuchtung Wiedererkennung und Akzeptanz fördern. Per App haben Radfahrer die Möglichkeit, die Farbe der Signallichter in einem Tunnel zu beeinflussen. Und der Radschnellweg Arnheim-Nimwegen wird von eigens entwickelten Straßenlampen beleuchtet: grüne Lichter in die eine Richtung, lila Lichter in die andere. So werden Autofahrer auf der parallel verlaufenden Autobahn auf die Radverbindung aufmerksam und könnten für zukünftige Fahrten auf den Radschnellweg umsteigen.
Berichterstattung
- auf sueddeutsche.de, 26.03.2017 von Lea Frehse
Downloads
Kurz-Vortrag Radschnellwege Landkreis München,
Birgit Kastrup, Stadtplanerin, PV
Kurz-Vortrag Radschnellwege LH München,
Georg Dunkel, Abteilungsleiter Verkehrsplanung, Planungsreferat, Landeshauptstadt München
Kurz-Vortrag „Oberhaching steigt auf“,
Stefan Schelle, 1. Bürgermeister der Gemeinde Oberhaching
Vortrag „Das vernetzte E-Bike – Flaschenhals Infrastruktur?“,
Gunnar Voß, Senior Projektleiter, COMMUNICO GmbH, Veranstalter der E BIKE DAYS München
Veranstaltungs-Programm
„Radverkehr in der Region München – Infrastruktur, innovative Konzepte, i-bikes“