Vortrag: Mobilitätstrends, Stellplatzbedarf und Mobilitätskonzepte

Prof. Dr.-Ing. Carsten Gertz, Leiter des Instituts für Verkehrsplanung und Logistik an der Technischen Universität Hamburg (TUHH), präsentierte einen umfassenden und kompakten Überblick: Mobilitätstrends mit aktuellen Zahlen und dem aktuellen Stand der Diskussion sowie einen möglichen Stellplatzbedarf und -schlüssel. Zudem stellte Prof. Gertz Beispiele für unterschiedliche Mobilitätskonzepte und deren Herangehensweise vor.
 

Aktuelle Diskussion

Die derzeitige verkehrspolitische Diskussion reiche vom Dieselskandal mit Durchfahrtsbeschränkungen und Nachrüstungen über den Parkdruck bis hin zu einem neuen Umgang mit dem Verkehrsraum als öffentlicher Raum, erläuterte Prof. Gertz. Ein Zielwert seien 150 Pkw pro 1.000 Einwohner, der Durchschnitt im Moment liege bei 500 Pkw je 1.000 Einwohner in Großstädten bei 300 Pkw je 1.000 Einwohner und es die Zahl steige noch. Dies sei ein Allmende-Problem, denn es käme zu einer Übernutzung des öffentlichen Raums. Somit steigen „die Anforderungen an die Bordsteinkante“, dazu zählen neben dem Parken die Radinfrastruktur, ÖV-Haltestellen sowie Ladesäulen für Elektromobilität, Leifahrräder, Sharing-Stationen, Anlieferungen etc. Der Leiter des Instituts für Verkehrsplanung und Logistik betonte, dass wir künftig ein anderes Verständnis für Straßenraumgestaltung bräuchten. Es werde über Szenarien zu neuen Mobilitätsdienstleistungen und -kultur nachgedacht, ausgehend davon, dass wir auf lange Sicht weniger Pkws haben werden. Laut einer Studie des  BMVI bleibe die durchschnittliche tägliche Verkehrsstärke an einem Werktag über Jahre hinweg konstant.

Mobilität in Deutschland

Für Prof. Gertz ist nicht der Modal Split der interessanteste Faktor, sondern der Pkw-Besitz nach Raumtyp. 42 Prozent aller Haushalte in deutschen Metropolen  hätten kein Auto. Im ländlichen Raum hingegen seien es etwa 16 Prozent. Ebenso sei die Pkw-Nutzung sehr ineffizient. Im Durchschnitt stehe jedes Auto in Deutschland 20 Stunden zu Hause. Und die Elektrofahrzeuge seien weniger in den großen Städten zu Hause, denn in den ländlichen Regionen.

Bundesweite Stellplatzsatzungen

Bei den Stellplatzsatzungen gebe es in Deutschland keine einheitliche Linie. Dies erläuterte Prof. Gertz anhand von 14 kommunalen Stellplatzsatzungen der größten Städte im Bundesgebiet: Unter der Annahme, man würde ein Wohnbauprojekt mit 200 Wohneinheiten planen, reiche das Spektrum von 36 Stellplätzen in Bremen über 160 Plätzen in München bis hin zu 232 Plätzen in Darmstadt. Häufig lägen bei der Erstellung der Stellplatzsatzung sehr vage Überlegungen dahinter, was fehle, seien fundierte, empirische Überlegungen und Kriterien, wie Satzungen definiert sein könnten, nämlich hinsichtlich Lage, ÖV-Anschluss, Radverkehrsinfrastruktur etc.

Eine komplette Aufhebung der Stellplatzpflicht wie es die beiden Stadtstaaten Hamburg und Berlin getan hätten, hält er hingegen für wenig sinnvoll, da keine verkehrspolitische Steuerung mehr möglich sei. Und die Praxis habe gezeigt, dass es nicht unbedingt weniger Stellplätze gäbe, allerdings ein differenzierteres Angebot.

Prof. Gertz merkte an, dass ein reduzierter Stellplatzschlüssel nicht zwingend zu den gewünschten Ergebnissen sprich Kosteneinsparungen führe, da an anderer Stelle baulicher Mehraufwand betrieben werden müsse. Zudem gingen weniger Stellplätze häufig auch zu Lasten des öffentlichen Raums, da dort mehr geparkt werde.

Kleinräumiger Mobilisierungsatlas

Anhand eines aktuellen Projekts des Instituts für Verkehrsplanung und Logistik erläuterte Prof. Gertz die Vorgehensweise in der schleswig-holsteinischen Stadt Nordersted, von der Größe her vergleichbar mit Garching. Wegen einer hohen Autoorientierung wünschte sich die Stadt für ein neues Wohngebiet ein Mobilitätskonzept mit weniger Stellplätzen. Das Institut erstellte eine Mobilitätsgutachten, um herauszufinden, wie denn die Autos und Einwohner im Stadtgebiet verteilt sind (Motorisierungsgrad: PKW pro 1.000 Einwohner) und wie der typische Stellplatzschlüssel in der Umgebung aussieht. Anhand dieser Informationen erstellte das Institut für die statistischen Bezirke Karten und leitete daraus Annahmen für ein Mobilitätskonzept ab. Die neue Idee, hier im Kleinen umgesetzt, würde sicherlich auch großräumig von Nutzen sein, warb der Professor für den Motorisierungsatlas.

Des Weiteren stellte er noch das Projekt  Östliche HafenCity in Hamburg vor, die ein Modellareal für nachhaltige Mobilität (Smart Mobility) darstelle. Der Stellplatzschlüssel-Faktor liege bei 0,4. Wichtig sei, dass der ÖV vor dem Bau von Gebäuden da sei und es eine gute Rahmenmischung gebe mit Sharing-Angeboten, Infrastruktur für den Radverkehr etc.
 

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