Landschaft im Umbruch

6. Juli 2023, EcoQuartier, Pfaffenhofen a. d. Ilm
 

Klimaanpassungsmaßnahmen, neue Formen der Energiegewinnung, Siedlungsentwicklungen und der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur führen zu einem sichtbaren Wandel in der Landschaft und zu einer veränderten Wahrnehmung der Region. Aber auch abseits der Landschaft gilt, es die Räume qualitativ an sich verändernde Bedingungen anzupassen.

Die gemeinsame Veranstaltung „Landschaft im Umbruch“ des Referats für Stadtplanung und Bauordnung der Landeshauptstadt München sowie der Planungsverband Äußerer Wirtschaftsraum München (PV) setzte sich mit den aktuellen Transformationsprozessen der Region München auseinander. Sie ging der Frage nach, wie sich der Umgang mit den aktuellen Veränderungen positiv gestalten lässt. Dabei wurden sowohl klassische Aspekte der Landschaftsentwicklung als auch der Ausbau von Stadtgrün thematisiert. Die Veranstaltung fand im Rahmen der Reihe „Bild der Region“ statt.

Rückblick und Impressionen der Veranstaltung

Dazu kamen Anfang Juli kommunalpolitische Vertreterinnen und Vertreter aus der Metropolregion München sowie Fachleute aus den Bereichen Bauleitplanung, Landschaftsplanung sowie Energie- und Klimaschutz nach Pfaffenhofen an der Ilm ins Alea Eco Hotel im EcoQuartier. Sie informierten sich in drei Vorträgen über verschiedene Best-Practice-Beispiele der Region, vertieften die Inhalte bei einer Podiumsdiskussion und erfuhren bei einer Exkursion durch das EcoQuartier Pfaffenhofen, wie ein nachhaltiger Stadtteil mit Wohnen, Gewerbe und Landwirtschaft konkret aussehen kann. Durch die Veranstaltung führte Karla Schilde, Abteilungsleiterin Regionales bei der Landeshauptstadt München.

Über kommunale Grenzen hinweg

Es gibt einige vielversprechende Ansätze, dem Klimawandel zu begegnen. Ganz wichtig für Veränderungen sind die Akzeptanz und das Verständnis der Leute vor Ort, die es mitzunehmen gilt. Und nur gemeinsam ist der Transformationsprozess zu schaffen, über alle kommunale Grenzen hinweg. So lässt sich zusammen ein Bild für unsere Region entwickeln.

Transformationsprozesse – Was gilt es zu berücksichtigen?

Zu Beginn kamen drei Akteure der Metropolregion München zu Wort, die in kurzen Statements darlegten, wie unterschiedlich sich aktuelle Transformationsprozesse darstellen können, wie sie unser Arbeitsumfeld prägen und wie wir zu Lösungen kommen könnten.

Thomas Herker, Erster Bürgermeister, Stadt Pfaffenhofen a. d. Ilm

Thomas Herker, Erster Bürgermeister der Stadt Pfaffenhofen a. d. Ilm, betonte die Notwendigkeit einer Stadt, sich an den Klimawandel mit Ereignissen wie Starkregen, Hitze und Trockenperioden anzupassen und dabei die Menschen, die in der Stadt wohnen, sowie die ansässige Wirtschaft mitzunehmen. Dazu gehöre auch, Baurecht zu schaffen, aber mit deutlich gesteigerten Auflagen, wie etwa Photovoltaik-Pflicht und Dachbegrünungen in den Bebauungsplänen zu definieren. Einen Schub habe auch die Regionalgartenschau 2017 mit einem sechs Hektar großen Areal gegeben (heute Bürgerpark). Pfaffenhofen sei auf einem guten Weg zu einer Schwammstadt. Seine Forderung, um ins Handeln zu kommen: „Konzepte nicht nur in der Schublade liegen zu lassen, sondern versuchen, sie umzusetzen.“

Marc Wißmann, Geschäftsführer, PV

PV-Geschäftsführer Marc Wißmann definierte drei Punkte, die es bei Transformationsprozess und Wandel zu beachten gelte:

  1. Unsere gewachsene Kulturlandschaft ist Teil unserer Heimat und somit persönlicher Bezugspunkt der hier lebenden Menschen. Diese bedeutende Tatsache sollten wir in Planungsentscheidungen mit einbeziehen.
  2. Unsere aktuellen Herausforderungen wie Klimawandel, Hochwasser, Wassermangel, Rückgang der Artenvielfalt, Energiewende sind gewaltig und kommen gleichzeitig. „Grün und Landschaft rücken stärker in den Fokus als bisher“, da sie diese Herausforderungen mit lösen können, etwa CO2 zu senken, Wasser zurückzuhalten und das Artensterben aufzuhalten.
  3. Die Energiewende wird das Landschaftsbild mit Windrädern oder Photovoltaik-Freiflächenanlagen stark prägen. Wir sollten diese „Energielandschaft“ behutsam entwickeln. Da die energietechnisch sinnvollsten Standorte nicht zwingend die mit Blick auf das Landschaftsbild geeignetsten sind, seien beide Ziele politisch und für die Landschaft verträglich auszuhandeln.
Arne Lorz, Hauptabteilungsleiter Stadtentwicklungsplanung, LH München

Arne Lorz, Hauptabteilungsleiter Stadtentwicklungsplanung der Landeshauptstadt München, betrachtete den Transformationsprozess aus Blick der „großen Stadt“. Mit dem STEP 2040 (Stadtentwicklungsplan München) habe man sich getraut, Stadtentwicklung vom Freiraum her über kommunale Grenzen hinaus mitzudenken – in die Region hinein. Das wird durchaus auch kritisch gesehen.

Dennoch gelte: Die Veränderungen wie Energie- und Verkehrswende, Klimaanpassung, Sicherung wertvoller Lebens- und Ausgleichsräume blieben nicht an den Gemeindegrenzen stehen. Nur gemeinsam als Region und über administrative Grenzen hinweg können wir dem Klimawandel begegnen und das Bild der Region gemeinsam entwickeln und umsetzen.

Vorträge

Mit dem Landschaftsplan zur resilienten Kommune

Vortrag Georg Weigl, Bürgermeister Tuntenhausen & Matthias Goetz, Gruppenleiter, PV

In ihrem Vortrag warben Georg Weigl, Erster Bürgermeister der Gemeinde Tuntenhausen, und Matthias Goetz, Gruppenleiter im PV, und für den Landschaftsplan, um der Transformationsaufgabe und dem Klimawandel zu begegnen. Er wird für etwa 15 Jahre aufgestellt und ist das ideale Instrument, um für ein kommunales Gebiet Planungslösungen zu erarbeiten. Er liefert Antworten auf Fragen, da er Datengrundlage und Entscheidungshilfe zugleich darstellt. Via Landschaftsplan kann eine Gemeinde oder Stadt für sich relevante Themen wie Artenschutz und Klimaanpassung identifizieren, Entscheidungen treffen, Prioritäten definieren, Fördermittel einholen und die Bevölkerung mit einbinden. Und sollten sich die Rahmenbedingungen ändern, lässt sich der Plan fortschreiben. Goetz forderte die Kommunen auf, ihre doch häufig in die Jahre gekommenen Landschaftspläne neu aufzustellen, um so den Klimaschutz anzugehen.

Wiedervernässung Moor

Die Gemeinde Tuntenhausen im Landkreis Rosenheim stellt aktuell gerade ihren Landschaftsplan mit dem PV zusammen auf. Bürgermeister Weigl schilderte, was eine Kommune braucht, um in die Umsetzung zu kommen und mehr Projekte zu realisieren. Seine Forderung: Aktiv planen und in das gemeindliche Gesamtkonzept einbinden. Er ging auch auf die Herausforderungen und mögliche Lösungen ein. Ein Knackpunkt war in der Vergangenheit die Wiedervernässung des Eisenbartlinger Filzes mit einer Flächen von etwa 75 Hektar, die an dem mangelnden Interesse der zahlreichen Eigentümer gescheitert sei. Hier setzt Weigl nun auf intensive Einzelgespräche, zudem habe sich das Verständnis für den Klimaschutz insgesamt gewandelt. So lautet denn auch sein Fazit: „Wir benötigen die Akzeptanz und Unterstützung der Leute vor Ort, sonst scheitern die Projekte.“

Klimagerechter Ausbau des Stadtgrüns

Vortrag Mario Dietrich, Leiter Stadtservice, Kommunalunternehmen Stadtwerke Pfaffenhofen a. d. Ilm

Ein Aspekt der Schwammstadt beschäftigt sich mit der Klimaanpassung in der Stadt. Wie kann man mit Starkwasserereignissen und dann wieder Dürreperioden umgehen? Und was kann man für die Biodiversität tun? Ein Schlüssel dafür sind gesunde Bäume: Für ein angenehmes Klima in unseren Städten sind sie von unschätzbarem Wert. Sie spenden Schatten und sorgen durch die Verdunstung für Kühlung. Zudem bieten sie Lebensraum für unterschiedlichste Insekten und Vögel. Mario Dietrich, Leiter Stadtservice im Kommunalunternehmen Stadtwerke Pfaffenhofen a. d. Ilm forderte daher „mehr Bäume in der Stadt“. Er zeigte in seinem Vortrag, welche Wege die Stadt Pfaffenhofen geht, um den klimagerechten Ausbau des Stadtgrüns umzusetzen.

Versuch zu Versickerungsmulden

Dietrich schilderte einen Versuch mit der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf und der TU München für multifunktionale Versickerungsmulden, der aktuell in seiner Stadt läuft. Gefördert wird das Forschungsprojekt vom Bayerischen Landesamt für Umwelt (LfU). Der Versuch soll verschiedene Fragen klären:

  • Kann ein spezielles Substrat Schadstoffe zurückhalten, damit bei Starkregen die Niederschläge ins Grundwasser geleitet werden können?
  • Wie sieht eine klimaresistente und für Insekten wertvolle Bepflanzung (Klimabäume, Stauden etc.) aus?
  • Können sogenannte Baumrigolen unter dem Baum als Speicherelement dienen? Das dort bei Regen aufgefangene Wasser soll in Trockenzeiten bis zu sechs Wochen die Bäume versorgen.

Dafür haben Stadt und TU zwei unterschiedliche Versuchseinrichtungen angelegt – eine Test- und eine Kontrollvariante. Es ist ein jeweils 25 Meter langer und zwei Meter breiter Streifen. Die Testvariante enthält eine 30 Zentimeter tiefe Rigole aus Lehm, zudem wird ein spezielles Substrat aus natürlichen, vor Ort vorkommenden Materialien wie Kies und gewaschener Sand verwendet. Lediglich Ziegelmehl wird zugekauft, damit das Substrat Wasser speichern kann.

Landschaft als Gemeinschaftsaufgabe – Ansätze für die interkommunale Freiraumentwicklung

Philipp Königer, Leiter Abteilung Grünplanung, LH München

Philipp Königer, Leiter Abteilung Grünplanung, Landeshauptstadt München sieht Landschaft als Gemeinschaftsaufgabe. Denn: Landschaft endet nicht an der Gemeindegrenze. Sie verbindet benachbarte Kommunen und bildet deren gemeinsamen Lebens-, Kultur- und Identifikationsraum. Diesen gilt es besonders vor dem steigenden Nutzungsdruck gemeinsam zu schützen und zu entwickeln. Es gelte, „die Kulturlandschaft so zu akzentuieren, dass man da gerne hingeht.“ Man müsse die vorhandenen Qualitäten in der Landschaft unterstreichen. Also „den Blick auf Alltagskulturlandschaft“ lenken und spannende Aspekte wie etwa einen besonderen Ausblick nutzen, um Orte als Aufenthaltsorte zu inszenieren.

Regionale Projekte

In seinem Vortrag präsentiert Königer verschiedene Ansätze und Projekte interkommunaler Zusammenarbeit bei der Landschafts- und Freiraumentwicklung am Beispiel des Grüngürtels München. Dazu gehören etwa die Landschaftsvereine wie der Erholungsflächenverein mit einer Vielzahl von Badeseen, der Heideflächenverein und der Dachauer Moos Verein mit einer Schatzkarte im Münchner Norden mit Lieblingsrouten zum Radeln durch Moos und Heide, das der PV fachlich mit betreut hat, aber auch das Regionalmanagement München Südwest mit seiner Zukunftsvision Würmregion 2035+ zum Wohnen, Arbeiten und Leben.

Mit Blick auf den Transformationsdruck betonte Königer, dass wir mit einer Natur mit Brüchen leben müssten. Das solle uns aber nicht davon abhalten, gemeinsam Landschaftsprojekte zu entwickeln.

Podiumsdiskussion

Landschaft im Umbruch – Wie können wir den Wandel aktiv gestalten?

In einer Podiumsdiskussion unter der Moderation von Karla Schilde, Abteilungsleiterin Regionales der LH München, wurden die Inhalte der Veranstaltung vertieft. Die Referenten entwarfen Ideen, wie sich der Wandel gezielt planerisch steuern lässt und beantworten Fragen aus dem Publikum. So ging es in der Diskussion von der Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger vor Ort über Kosten, konkrete Projekte und Fehlerkultur bis hin zum Austausch über Gemeinde- und Landkreisgrenzen hinweg sowie zur Entwicklung eines gemeinsamen Bildes der Region.

Versuch macht klug

Ein weiterer Aspekt der Diskussion waren die Planungen. Planungsprozesse dauern sehr lange, parallel dazu sei es daher zwingend notwendig, konkrete Projekte und Maßnahmen anzupacken. So könne man ausprobieren, wie etwas laufe und sich entwickele. Positive Ergebnisse müssten der Öffentlichkeit kommuniziert werden: Sie sprächen für sich und überzeugen die Leute durch sichtbaren Mehrwert, dass bestimmte Maßnahmen notwendig seien und natürlich auch Kosten verursachten. So habe etwa die Stadt Pfaffenhofen in den letzten zehn Jahren für eine Millionen Euro Bäume gepflanzt. Die Wertschätzung für das, „was ich vor der Haustür habe“ wachse ebenso wie das Vertrauen in einen nachhaltigen Umgang.

Exkursion EcoQuartier

Valérie Madoka Naito, Projektleitung EcoQuartier

Zum Abschluss der Veranstaltung fand ein Rundgang durch das EcoQuartier in Pfaffenhofen an der Ilm statt. Das privatwirtschaftlich initiierte Stadt-Umland-Projekt verbindet Wohnen, Gewerbe und Landwirtschaft mit hohen Anforderungen an Kriterien der Nachhaltigkeit wie Klima- und Ressourcenschutz. So ist zwischen Pfaffenhofen und dem Ortsteil Weihern ein nachhaltiges Stadtquartier entstanden. Valérie Madoka Naito, Architektin und Projektleiterin des EcoQuartiers ging bei ihrem Rundgang auf folgende Aspekte ein:

  • Entstehung und Grundgedanken des EcoQuartiers: Idee und Anstoß des Projektes durch den ambitionierten Eigentümer des Geländes
  • Konzept, Entwicklung, Bebauungsplan, Steuerung
  • Architektur, Haustypologien, Farbkonzept der drei Dörfer (Solardorf, Taldorf, Bergdorf)
  • Bewohnerstruktur (Einheimischenmodell)
  • Wassermanagement inkl. zentrale Wasserversorgung (Trinkwasser), Wasserrecycling (Grauwasser) und Regenwassermanagement (Retentionslandschaft / -becken) inkl. Ableitung des Regenwassers
  • Energiekonzept mit Versorgung durch Nahwärme, Nutzung Photovoltaik (auf den Dächern der Gebäude des Solardorfs verpflichtend)
  • Verwendung nachhaltiger Baustoffe (Holz, klimapositives Bauen mit Stroh – Strohballensiedlung, wenig Beton)
  • Naturnahe Freiräume innerhalb des Quartiers

Bildergalerie Exkursion EcoQuartier Pfaffenhofen